Intensive Partnerschaft bewährt sich
Praxis und Theorie, Betrieb und Berufsschule: Das deutsche duale Ausbildungssystem genießt Weltruf und erfüllt als solches für verschiedene Länder eine Vorbildfunktion.
Von Dieter Schulze, stellv. Schulleiter HBT bis 1999, Studiendirektor a.D.
Seit Ende der 1960er Jahre erfährt die duale Ausbildung in anerkannten Ausbildungsberufen grundlegende strukturelle und inhaltliche Neuerungen. Sie haben auch die Ausbildung der Schifffahrtskaufleute an der Staatlichen Handelsschule Berliner Tor (HBT) – bekannt als „H18“ – nachhaltig verändert. Ein Rückblick auf die Jahre bis 2000 macht dies deutlich.
Keimzelle der heutigen HBT ist die Staatliche Berufsschule am Holstenwall, die auch unter der Bezeichnung „H14“ geführt wird. Nach einer kurzzeitigen Auslagerung in ein benachbartes Grundschulgebäude wurden die Auszubildenden der Reedereien und Schiffsmakler zusammen mit den Spediteuren unterrichtet. Das erfolgte zwar in getrennten Abteilungen, aber an einer Schule. Steigende Ausbildungszahlen ließen den Gedanken reifen, „selbstständig“ zu werden.
Das führte schließlich 1976 zur Gründung einer neuen Berufsschule. Die Abteilungen Schifffahrts- und Reiseverkehrskaufleute wurden aus der „H14“ ausgegliedert und bildeten nun die HBT oder „H 18“. Standort dafür wurde das aus den späten 1950er Jahren stammende Gebäude am Berliner Tor.
Neben der Einrichtung dieser Bestandsimmobilie waren die Bildung und Zusammensetzung eines kompetenten Lehrerkollegiums eine vordringliche Aufgabe der neuen Schulleitung. Nur zehn Stammkräfte konnten von der Schuleinrichtung am Holstenwall übernommen werden. Für einen geordneten Unterrichtsbetrieb bei den Schifffahrtskaufleuten galt es jetzt, zusätzlich qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen beziehungsweise auszubilden. Eine Aufgabe, die einige Jahre in Anspruch nehmen sollte.
Auch die Organisation des Unterrichts erfuhr eine grundlegende Neuerung. Bereits 1972 favorisierte die Hamburger Schulbehörde die Abkehr vom konventionellen Teilzeitunterricht in der schulischen Ausbildung, das heißt weg von einer auf zwei Wochentage zu je sechs Stunden Unterricht konzentrierten Schulausbildung und hin zum mehrwöchigen, konzentrierten Blockunterricht für alle Berufsschüler. Als Vorteil dieser Organisationsform galt vor allem: Die Lerninhalte wurden für jedes Ausbildungsjahr in Unterrichtsblöcken zusammengefasst und konnten auf diese Weise ohne zeitliche Unterbrechung systematischer und intensiver erarbeitet werden. Auch eröffnete sich die Möglichkeit, Projekte über mehrere Tage im Rahmen der Unterrichtszeit durchzuführen. Der Vorteil für die Azubis: Sie können sich während des Blockunterrichts voll auf die Schule konzentrieren. In der HBT wurde der Unterricht für jeden Azubi fortan in zwei Blöcken zu je 6,5 Wochen pro Ausbildungsjahr angeboten.
Die Ausbildungsbetriebe nahmen dieses Angebot mehrheitlich an. Die Schule richtete pro Halbjahr drei Unterrichtsblöcke ein. Die Einteilung der Azubis eines Betriebes auf die einzelnen Blöcke erfolgte dabei in enger gegenseitiger Abstimmung. So war gewährleistet, dass der einzelne Azubi den seinem Ausbildungsstand entsprechenden Unterricht erhalten und Lehrerwechsel minimiert werden konnten. Nur einige wenige, vorwiegend kleinere Betriebe sprachen sich dennoch für eine Beibehaltung des Teilzeitunterrichts aus. Aus organisatorischen Gründen konnte diesem Wunsch aber erst später durch parallele Einrichtung von Teilzeitklassen mit einer genügenden Teilnehmerzahl entsprochen werden.
Natürlich mussten auch die Ausbildungsbetriebe Wege finden, sich auf die neue Blockorganisation umzustellen. Es ergab sich jetzt aber die Möglichkeit, die Azubis zwischen den Schulblöcken für einen längeren, nicht unterbrochenen Zeitraum besser in die betrieblichen Handlungsabläufe einzubinden. Anhand der Blockpläne der Schule konnten Einsatz und Durchlauf durch die einzelnen Abteilungen und beispielsweise Urlaubszeiten übersichtlich für die gesamte Ausbildungszeit geplant werden.
Insgesamt erwies sich die Einführung des Blockunterrichts als ein Gewinn für alle Beteiligten.
Eine weitere Neuerung – und damit ein Schritt in die Zukunft der Ausbildung – war die Ablösung der konventionellen Fächer (Verkehrsbetriebslehre, Wirtschaftslehre, Englisch, Rechnungswesen, Politik) durch 15 Lernfelder. Das Ziel bestand darin, die auf der Berufspraxis aufbauende, handlungsorientierte Vermittlung der schulischen Lerninhalte auf der Grundlage der vom Bund vorgegebenen Ausbildungsverordnung und des Rahmenlehrplans für Schifffahrtskaufleute zu erreichen.
Praxisnaher Unterricht in der Schule erforderte eine höhere inhaltliche Aktualität und die ständige Anpassung an die Entwicklungen und Veränderungen in der Schifffahrt.
Eine weitere Bestätigung für die Qualität der schulischen Ausbildung an der HBT ist auch die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Ausbildungseinrichtungen und den in der Schifffahrt tätigen Institutionen im Ausland. So wurde bereits in den 1980er Jahren ein regelmäßiger Schüleraustausch mit Newcastle (England) eingerichtet. Diese Bereicherung der Ausbildung wurde in den späteren Jahren ausgeweitet, und zwar um Schülerbesuche unter anderem in Shanghai (China) und St. Petersburg (Russland). Die HBT ist in der qualitativen Verbesserung der Ausbildung auf einem guten Weg. Beweis dafür ist die trotz Krise relativ stabile Zahl der Auszubildenden. Jetzt bewährt sich auch die über Jahrzehnte geübte intensive und vertrauensvolle Zusammenarbeit der Schule, den ausbildenden Betrieben und deren Vertretern in den Gremien der Schule sowie mit den Verbänden VHSS und VDR.