Schifffahrtskaufmann „made in Germany“ steht bei japanischer Reederei hoch im Kurs

Das in Deutschland entwickelte und branchenübergreifend umgesetzte duale Ausbildungssystem stößt im Ausland zunehmend auf Interesse. Das gilt auch für global agierende Schifffahrtsunternehmen wie die japanische Traditionsreederei MOL.

In ihrer Deutschland-Niederlassung, deren Stammsitz Hamburg ist, freut man sich nicht nur darüber; man ist auf diese Wertschätzung auch ein wenig stolz, sagt René Reinholz, Regionaler Verkaufsleiter und Ausbilder bei MOL (Europe) BV, der die Hamburger Reederei-Filiale organisatorisch zugeordnet ist. Denn das europäische Hauptquartier des japanischen Schifffahrtsunternehmens ist in den Niederlanden, im größten europäischen Seehafen Rotterdam, verankert.

Reinholz begann seine Berufskarriere bei MOL mit einer Ausbildung zum Schifffahrtskaufmann. In den rund 20 Jahren, die er jetzt für das Unternehmen tätig ist, hat er viel gesehen von der Welt: Großbritannien, Hongkong, Österreich und auch mehrere Jahre in den Niederlanden erweiterten im besten Wortsinne seinen Horizont. Reinholz: „Schifffahrt hat die Internationalität einfach in ihrer DNA. Man kommt automatisch mit anderen Ländern und anderen Kulturkreisen in Berührung, und man muss sich genau darauf einlassen und damit auseinandersetzen. Das ist fantastisch.“

Die deutsche MOL-Organisation forciert im Besonderen seit der ersten Dekade des neuen Jahrhunderts das Thema „Ausbildung“ im Allgemeinen und darin wieder um den Schifffahrtskaufmann im Besonderen. Eine Aufgabe, der sich Marion Schubert als Ausbildungsleiter verschrieben hat. Die Fokussierung auf dieses Thema ist jedoch nicht nur eine persönliche Leidenschaft, sondern eingebettet in ein wohl durchdachtes Konzept. Es geht dar um, das unter anderem für ein weiteres Wachstum benötigte Fachpersonal selbst heranzubilden und sich nicht nur auf den allgemeinen Personalmarkt zu verlassen.

Der Vorteil dieser Form der Personalentwicklung liegt für Schubert vor allem darin, dass bereits die jungen Azubis mit den besonderen Gepflogenheiten und der eigenen Unternehmenskultur vertraut gemacht werden und diese persönlich erfahren. Gerade Firmen, deren Wurzeln in Asien liegen, haben ihre Besonderheiten – bei aller Internationalität etwa bei so wichtigen Einzelthemen wie „Werte und Normen“. Immerhin: Die Anfänge von MOL, deren Stammsitz die Mega-Metropole Tokio ist, reichen bis ins Jahr 1884 zurück. Vor drei Jahren wurde der 130. Firmengeburtstag innerhalb des weltumspannend tätigen und aktuell fast 10.800 Mitarbeiter zählenden Reederei- und Logistikkonzerns besonders gefeiert.

Doch wie kommt die Reederei an die „passenden“ Azubis? Schubert freut sich zunächst darüber, dass zur Erfüllung dieser wichtigen Aufgabe inzwischen zahlreiche Instrumente zur Verfügung stehen: Das Spektrum reicht von der klassischen Initiativbewerbung über die bewährte Schnittstelle Agentur für Arbeit/Firmen, die sozialen Medien bis hin zur Mundpropaganda.

Auch das sogenannte „Azubi-Speeddating“ in der Hamburger Handelskammer wird zunehmend genutzt. Firmen und die an einem bestimmten Berufsbild Inter es sierten treffen in einem zeitlich klar festgesetzten Rahmen von zehn Minuten aufeinander, um sich gegenseitig zu checken. Schubert: „Ein besonderer Vorteil dieses Verfahrens liegt darin, dass dabei Bewerber auf uns zukommen, die ziemlich genau wissen, was sie wollen und die sich im Vorfeld selbstständig über die entsprechende Branche und auch ,ihren‘ ins Auge gefassten Betrieb informiert haben.“ Aufgrund des Erfolges mit diesem Präsentationskonzept hat die Handelskammer Hamburg auch in diesem Jahr wieder einen solchen Speeddating-Tag anberaumt: den 7. Juni von 9 bis 14 Uhr. Insgesamt 61 Unternehmen aus den verschiedenen Branchen haben sich diesmal angemeldet.

MOL-Ausbildungsleiterin Marion Schubert betont, dass das Unternehmen bei seinen Bewerbern „bereits sehr viel voraussetzt, denn wir stellen die Qualität klar in den Vordergrund. Wenn wir keine geeigneten Kandidaten für ein Lehrjahr finden, dann verzichten wir lieber auf eine Einstellung innerhalb des marktüblichen Ausbildungszyklus. Daher sage ich auch immer, dass wir pro Ausbildungsjahrgang zwischen null und drei Azubis einstellen.“

Für Reinholz und Schubert ist es besonders wichtig, dass die Kandidaten im Rahmen ihrer Bewerbung ein ernsthaftes Interesse am Beruf des Schifffahrtskaufmanns/der Schifffahrtskauffrau klar erkennen lassen. Die Frage „Warum gerade dieser Job?“ spielt daher eine zentrale Rolle im Vorstellungsgespräch – zu dem alle Bewerber eingeladen werden, deren Unterlagen die erste Auswahlstufe erfolgreich durchlaufen haben. Par al lel dazu hat man in Hamburg inzwischen auch einen kleinen Flyer entwickelt. Titel: „Schifffahrtskaufmann/-frau (Linie) – Dein Beruf“. In diesem Faltblatt wird kompakt und knapp über das angestrebte Berufsziel informiert, gleichzeitig aber auch ein kleiner Vorgeschmack auf den besonderen „MOL-Spirit“ gegeben. Das ließt sich dann unter anderem so: „Als japanisches, global agierendes Unternehmen ist es uns wichtig, dass unsere Auszubildenden auch auf internationaler Ebene Erfahrungen sammeln.“

Gerade diese Auslandstätigkeit beziehungsweise internationale Ausrichtung ist Kernbestandteil der eigentlichen Ausbildung. Schubert: „Vom ersten Arbeitstag an läuft die unternehmensinterne schriftliche Kommunikation auf Englisch. Das ist nicht nur die Schifffahrtssprache, sondern bestimmt zudem die globale Kommunikationsebene.“ Die Kenntnisse im Englischen werden daher bereits im Bewerbungsverfahren abgefragt und konkret eingefordert. Andere Kenntnisse und Fertigkeiten genießen ebenfalls einen besonderen Stellenwert: Geografie-Wissen, Mathematik, gutes Deutsch und eine ausgeprägte soziale Kompetenz. Teamarbeit mit Menschen verschiedener Nationalitäten und unterschiedlicher kultureller Hintergründe ist Alltag. Schubert weiter: „Wer bei uns eine Ausbildung macht, für den heißt es auch: drei Jahre Dauer.“ Während innerhalb der Branche ein Abitur-Bonus von einem halben Jahr gewährt wird, also eine Ausbildungsgesamtzeit von 2,5 Jahren, wählt MOL einen anderen Weg. Schubert: „Bereits während der Ausbildungszeit sind unsere jungen Kollegen im Ausland tätig und verbleiben dabei im Schnitt gute zwei Monate in dem jeweiligen Büro. Damit haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht, denn unsere Azubis können sich damit optimal einbringen und gewinnen für sich mehr als nur einen flüchtigen Eindruck von dem Land und der spezifischen Tätigkeit in der jeweiligen Niederlassung.“

Friederike Schwenkner ist eine dieser Hamburger MOL-Azubis. Die 21-Jährige wird Anfang 2018 ihre Ausbildung zur Schifffahrtskauffrau beenden und ist mit ihrer getroffenen Berufsentscheidung im Allgemeinen und bei der japanischen Reederei im Besonderen mehr als zufrieden. Ihre Interesse an der Schifffahrt wurde dabei innerhalb der Familie geweckt. „Mein Opa fuhr zur See und hat immer wieder von dieser Zeit geschwärmt. Das hat mich stets beeindruckt.“ So war zum Ende ihrer Schulzeit klar, dass sie einen Schifffahrtsberuf ergreifen wollte und sich um einen Ausbildungsplatz bewarb. Mit Erfolg. In den zurückliegenden knapp zweieinhalb Jahren kam sie bereits ordentlich herum in der Welt. Ihre bisherigen Auslandsstationen waren Helsinki und das polnische Danzig, demnächst steht die Europazentrale in Rotterdam an. Eine Stadt, auf die sie sehr gespannt ist, gilt sie doch als sehr dynamisch.

Auch das gehörte zu den Auslandserfahrungen: eine Reise nach China, die von der Staatlichen Berufsschule Berliner Tor (HBT) regelmäßig ausgerichtet wird. An ihr nehmen Azubis verschiedener Lehrjahre und Firmen teil. Schubert lobt ausdrücklich die sehr gute Zusammenarbeit mit der Hamburger Berufsschule, an der deutschlandweit die meisten Schifffahrtskaufleute mit theoretischem Fachwissen gerüstet werden. Die sogenannten „Lernortkooperationen“, auch als „Ausbildernachmittage“ ein Begriff, seien sehr segensreich. Nicht nur, dass sich die Ausbilder der verschiedenen Firmen hier kennenlernen können, auch der Austausch mit den Fachlehrern finde dabei statt. Probleme und Problemchen könnten im semi-offiziellen Umfeld besprochen und Lösungen gefunden werden. Die China-Reise, die auch zum Ende dieses Jahres wieder stattfinden wird, unterstützt MOL aktiv, zum Beispiel, in dem Terminalbesuche vermittelt werden. Die Reederei-eigenen mitreisenden Azubis haben im Rahmen dieser Reise zudem die Möglichkeit, die Firmenbüros kennenzulernen.

Eines bekommen Schubert und Reinholz immer wieder als Feedback aus den Auslandsfilialen zu hören: „Die besondere Wertschätzung für die hohe Ausbildungsqualität und den Wissenstand unserer jungen Kollegen, die ja sofort im jeweiligen Landesteam mitarbeiten können.“ Damit nicht genug: Diese Anerkennung hat inzwischen dazu geführt, dass sich verschiedene MOL-Länderorganisationen dafür interessieren, das deutsche duale Ausbildungskonzept zu übernehmen, zumindest bestimmte Elemente. Schubert: „Wir sind dabei besonders stolz, dass gerade unsere japanische Konzernmutter von diesem dualen System und seinen nachweisbar positiven Ergebnissen angetan ist und jetzt prüft, wie es sich auch für andere umsetzen lasse.“ Das ist ein kleiner Ritterschlag aus einem Land und einem Kulturkreis, in dem das Wort „Qualität“ einen besonderen Stellenwert genießt.

Die Perspektive nach erfolgreicher Ausbildung formuliert Reinholz so: „Wir wollen diese Menschen im Unternehmen behalten und versuchen, ihnen bei guter Leistung einen Arbeitsplatz anzubieten – wenn nicht in Hamburg, dann in einem anderen Land. EHA

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