Frauen setzen auf Köpfchen statt Kraft

Von wegen reine Männersache: Auf den Brücken von Handels- und Marineschiffen stehen engagierte Frauen schon seit Jahren erfolgreich ihren „Mann“ als Kapitänin.

Auch bei dem mittelständischen Schifffahrtsunternehmen EMS-Fehn-Group aus Leer wird es in wenigen Monaten eine Kapitänin geben. Die Nautikerin wird bei der Tochterfirma Northwest Crewing (NWC) beginnen. Die gebürtige Oldenburgerin Pia Prophet fährt seit mehr als zehn Jahren zur See. Im Anschluss an ihre dreijährige Ausbildung zur Schiffsmechanikerin schloss sie ein Nautikstudium an der Seefahrtschule in Leer an und machte in dieser Traditionseinrichtung ihr „großes Patent“. Die offizielle Bezeichnung lautet „Befähigungszeugnis für den nautischen Dienst auf Kauffahrteischiffen aller Größen und aller Fahrtgebiete“. Für die Ausbildung in Leer sprach auch, dass es hier das sogenannten „Durchsteigermodell“ gibt; das heißt, nach Abschluss der Fachschule kann auch der Fachhochschulabschluss abgelegt werden.

Dass Pia Prophet zunächst das duale Ausbildungsmodell „Schiffsmechaniker/-in“ absolviert hat, ist ein unter jungen Berufsinteressenten verbreiteter Werdegang. Denn in diesen drei Jahren erwerben die jungen Menschen fundierte praktische Berufskenntnisse, die in einer späteren Tätigkeit in der Schiffsführung von größtem Wert sein werden.

Um in der Schifffahrt auf der Karriereleiter weiterzukommen, muss ein Nautikstudent das Patent ausfahren. Dafür sind 24 Monate vonnöten. Die Abfolge lautet dabei: zwölf Monate als nautischer Wachoffizier und weitere zwölf Monate als „Chief Mate“ oder 1. Offizier. Nach Abschluss des Studiums dauert es dann weitere vier bis fünf Jahre, bis man alleinverantwortlich ein Bordkommando übernehmen kann.

Karrierestart 2012

2012 begann die Seefahrtsbegeisterte als 2. Nautische Wachoffizierin ihre Karriere in der mittelständischen Schifffahrts- und Transportgruppe. Ihr erstes Bordkommando war die 1999 gebaute „Fehn Mariner“ (IMO 9173185), ein rund 2900 Tonnen tragender Stückgutfrachter.

Dass eine Frau als „Zwo WO“ einsteigen sollte, löste beim russischen Kapitän zunächst diese Reaktion aus: „Er war wenig begeistert“, erinnert sich Jens Feuerhake, NWC-Geschäftsführer. Doch das anfängliche Unbehagen war innerhalb von zwei Wochen gänzlich verflogen. Feuerhake: „Der russische Captain wollte die junge Oldenburgerin am liebsten gar nicht mehr von Bord lassen. Er war geradezu begeistert.“ Pia Prophet meint heute: „Es gibt natürlich immer noch Vorurteile gegen Frauen an Bord, etwa, dass sie körperlich zu schwach sind. Doch das ist alles Quatsch. Heute ist an Bord nicht mehr Kraft das Thema, sondern Köpfchen.“

Probleme als Frau an Bord kennt Pia Prophet auch und gerade in einem bunt gemischten Nationalitätenumfeld nicht. Philippiner, Russen oder Ukrainer – „kein Thema“, sagt sie. „Man muss gleich zu Beginn klarstellen: Als Offizier bestehe ich auf Distanz und Respekt. Das ist das A und O.“ Re spekt bekomme man nicht geschenkt, den müsse man sich erarbeiten. „Bordpüppchen“ hätten aber keine Chance, auch das sei klar. Sie sagt: „Ich kann nicht die ganze Zeit auf der Brücke stehen und bloß zusehen. Ich muss auch an Deck arbeiten, den Jungs zeigen, dass ich mit der Flex genauso umgehen kann wie sie.“ Jens Feuerhake teilt diese Einschätzung: „Das gilt übrigens ohne Abstriche auch für die männlichen Offiziere, da gibt es überhaupt keinen Unterschied.“

Einfluß auf die Stimmung

Gibt es aber nicht doch etwas , was eben nur Frauen an Bord bewirken können? Feuerhake nickt: „Doch. Unsere Erfahrung ist, dass eine Frau an Bord einen positiven Einfluss auf die Stimmung und auch die Leistung der Besatzung hat.“ Pia Prophet habe da im besten Wortsinne immer wieder Marksteine gesetzt, bestätigt Feuerhake. An der jungen Offizierin schätzt der Manager auch, dass sie „klare Ziele setzt und auch die Einhaltung der Qualität der Arbeit überprüft“. So wisse die Crew immer genau, was gefordert wird. „Im Übrigen erwarten wir das auch und gerade von unseren Offizieren.“

Pia Prophet hat ihren weiteren Karrierekurs bereits klar vor Augen. Ihre große Stunde als „Frau Kapitän“ mit einem eigenen „Dampfer“ wird innerhalb des ersten Halbjahres 2017 schlagen.Das schließt sie aber heute schon klar aus: eine Tätigkeit an Bord eines Kreuzfahrtschiffs, wie es viele ihrer Berufskolleginnen anstreben. Pia Prophet: „Das ist nichts für mich.“ Gut vorstellbar sei hingegen für sie ein Bordkommando in der Tanker- oder Massengutschifffahrt. Oder sie macht das, was sie schon heute schätzt: Transport von Projektladung und Stückgut auf einem Mehrzweckfrachter. EHA

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