„Es geht nautische Kompetenz verloren“
Dekan Ralf Wandelt
Die 2009 gegründete Jade Hochschule Elsfleth. Die nautische Ausbildung an dem Standort reicht zurück bis in das Jahr 1832, Fotos: Jade Hochschule
Theorie und Praxis: Wer sich für einen Beruf in der Schifffahrt entscheidet, für den kommt es besonders auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den beiden Wissens-Polen an.
Prof. Dr. Ralf Wandelt, Dekan des Fachbereichs Seefahrt an der Jade Hochschule in Elsfleth, sieht dieses Gleichgewicht jedoch als gefähr det an, räumte er jetzt ein.
Wie sehen die Berufschancen für deutsche Seeleute aus?
Wandelt:
Augenblicklich ist die Situation schwierig. Wir haben seit etwa sieben Jahren eine Schifffahrtskrise. Die Reeder stehen unter finanziellem Druck. Nicht mehr alle unserer Absolventen finden einen Arbeitsplatz an Bord – und wenn, dann teilweise nur befristet und schlechter bezahlt. Das war in unserer Branche früher nicht üblich.
Welche Probleme sehen Sie dadurch in Zukunft?
Wandelt:
Es geht nautische Kompetenz verloren. Diese ist auch an Land gefragt, zum Beispiel in den Häfen oder den Schiffsverwaltungen. Dort gibt es ausreichend Arbeitsplätze. Das Problem ist, dass die jungen Leute keine Praxiserfahrungen mehr an Bord sammeln können. Wir mussten die Zahl unserer Studienanfänger auf 45 im Jahr halbieren, weil nicht mehr genug Plätze für die zwei Praxissemester gefunden werden konnten. Künftig drohen dadurch Nachwuchsprobleme.
Wie könnte eine Lösung aussehen?
Wandelt:
Im Moment ist im Gespräch, dass die Reeder die Lohnsteuer der deutschen Seeleute künftig komplett einbehalten dürfen. Meiner Meinung nach ist das für eine Übergangszeit gerechtfertigt, muss aber an Bedingungen geknüpft werden. Eine davon wäre, dass die Reeder in die Ausbildung junger Seeleute investieren – selbst dann, wenn sie nicht unmittelbar profitieren.
Wie könnte sich die Situation der deutschen Seeleute langfristig verbessern?
Wandelt:
Gegen die niedrigen Lebenshaltungskosten in Fernost und anderen Ländern können wir natürlich nicht konkurrieren. Wir können nur darauf hoffen, dass sich die konjunkturelle Lage verbessert, so dass wieder mehr Schiffe Güter transportieren und mehr Seeleute gebraucht werden. Politische Instrumente sind immer nur begrenzt wirksam und können dem Steuerzahler auch nicht auf Dauer zugemutet werden. EHA/FBi
Zur person
Prof. Dr. Ralf Wandelt ist seit dem 1. März dieses Jahres Dekan des Fachbereichs Seefahrt an der Jade Hochschule in Elsfleth. Der 58-Jährige hat Nautik und später Physik studiert. An der Jade Hochschule ist er Professor für Physik und Schiffstheorie. Von 2009 bis 2012 war er auch deren Vizepräsident. lni
Sie gehört zu den jüngsten Hochschulen der Bundesrepublik Deutschland. Die 2009 gegründete Jade Hochschule verteilt sich im Nordwesten der Republik auf die drei Standorte Elsfleth, Oldenburg und Wilhelmshaven. Diese Dreiteilung ist der historischen Entwicklung dieser Bildungseinrichtung geschuldet, die nicht nur den Anspruch hat, den jungen Studierenden ein besonderes Lebensgefühl zu vermitteln, sondern eine Ausbildung auch „ganz nah dran am Job“ anzubieten. Es geht schlicht um „Lust auf Zukunft“, so der eigene Anspruch. Mit Erfolg. Denn 7500 junge Menschen sind derzeit an den drei Standorten eingeschrieben, davon etwa 600 in der von einer langen Seefahrt-Tradition geprägten Unterweser-Stadt Elsfleth. Das Fächerangebot reicht von Seefahrt (Elsfleth), über Bauwesen (Oldenburg) bis hin zu Ingenieurwissenschaften (Wilhelmshaven). Es werden zusammen 37 Bachelor- und zehn Masterstudiengänge angeboten. Etwa 180 Professoren, ergänzt um einen starken Stamm weiterer Fachkräfte, vermitteln den Studenten die anspruchsvollen Lerninhalte. Stolz ist die Jade Hochschule auch auf ihr starkes internationales Netzwerk, das aus Direktbeziehungen zu 90 Universitäten und Fachhochschulen im Ausland besteht. Ein Geflecht, das auch den jungen Studenten zur Verfügung steht und ihnen interessante Möglichkeiten zur sprichwörtlichen Horizonterweiterung bietet. Die nautische Ausbildung in Elsfleth reicht zurück bis in das Jahr 1832. In Oldenburg werden seit 1877 Ingenieure ausgebildet, und in Wilhelmshaven wurde vor 68 Jahren, nämlich 1947, die Ursprungsakademie für angehende Betriebswirte gegründet. EHA/FBi
jade hochschule: Lust auf meer-wissen
