Corona forciert Fusions-Druck

Während des Ende der Corona-Pandemie noch nicht ansatzweise erkennbar ist, zeichnet sich ein Trend immer klarer ab: In der weltweiten Schifffahrtsindustrie werden der Druck auf die einzelnen Reedereien, aber auch die Bereitschaft der einzelnen Unternehmen zur Bildung neuer Gemeinschaftsunternehmen deutlich zunehmen.

Davon gehen jedenfalls die Autoren der aktuellen Reederstudie aus, die die internationale Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC (Pricewaterhouse Coopers) erstellt und am Donnerstag in Hamburg präsentiert hat. Sie erscheint in diesem Jahr zum zwölften Mal in Folge und steht unter dem Leitsatz: „Fahrt auf Sicht in Corona-Zeiten“. Bemerkenswert an dieser erneut tiefgestaffelt, aber auch breit gefächert angelegten Reeder-Studie ist, dass im Rahmen dieser Studien-Serie das Unternehmen PwC zum zweiten Mal innerhalb von zehn Jahren auf Kriseneffekte eingehen kann und auch muss. So stand beispielsweise die Branchenübersicht 2010 ganz im Zeichen der Folgen der globalen Schifffahrtskrise als Folge des Zusammenbruchs der Lehman-Bank in den USA 2008/2009. Sie traf bekanntlich die deutschen Reedereien mit voller Wucht und führte in der Folge zu einem schmerzvollen Aderlass bei Unternehmen, Beschäftigten und auch Schiffen.

Das Datenmaterial zur aktuellen Studie und die daran gekoppelten verbalen Einschätzungen der Reedereien zu den Folgen von Covid-19 sammelte PwC im Zeitraum Juni bis August dieses Jahres unter insgesamt 95 Reedereibetrieben unterschiedlicher Größe und Spezialisierung.

In den intensiven Gesprächen äußerten die unterschiedlichen Branchenexperten wiederholt die Einschätzung, dass die Corona-Pandemie die maritime Wirtschaft zwar „hart getroffen“ habe. Auf der anderen Seite sei es den deutschen Schifffahrtsunternehmen trotzdem gelungen, ihre Verpflichtungen als Partner im Rahmen von komplexen, internationalen Liefer- und Logistikketten „weitgehend aufrechterhalten“. Für den Jahresverlauf erwartet die Mehrzahl der befragten Entscheider aber „erhebliche Beeinträchtigungen ihrer Geschäftsprozesse in Folge der Pandemie“. Eine Folge: Der Veränderungsdruck in der Branche werde genau deswegen „wahrscheinlich weiter steigen“.

Die Mehrheit der befragten Reeder erwartet, dass sich mehr Unternehmen zusammenschließen werden, um die Auswirkungen dieser Krise und anderer Herausforderungen erfolgreich zu meistern. Und auch das zeigte sich: Viele Interviewpartner äußerten die Erwartung, dass „die Mehrzahl der Reedereien nur mit staatlicher Hilfe die Auswirkungen der Krise“ bewältigen kann. Eine Einschätzung, die derzeit ja für viele Branchen in Deutschland und anderen Teilen der Welt zutrifft. Man denke etwa an den bislang boomenden Tourismus-Sektor oder auch die Auto-Industrie.

Auch Teilen der deutschen Reedereiverkehrswirtschaft kam das schon in der Banken- und Schifffahrtskrise in Deutschland bewährte Instrumentarium „Kurzarbeitergeld“ bei der Abfederung der Corona-Folgen zugute. Wörtlich heißt es in der Studie: „Die Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld und Corona-Soforthilfen halfen zahlreichen Reedereien, die ersten Krisenmonate zu überstehen.“ Trotzdem mussten verschiedene Betriebe auch Personal bereits entlassen beziehungsweise stellt sich darauf ein.

Dr. André Wortmann, Leiter des Maritimen Kompetenzzentrums bei PwC Deutschland, konstatiert: „Die Herausforderungen der ersten Pandemie-Welle haben die Reedereien noch gut bewältigt. Zwar mussten vereinzelt Schiffe in Quarantäne gehen, insgesamt haben die Lieferketten aber gehalten. Jetzt stellt sich die Frage, ob der beobachtete Erholungstrend in den Fracht- und Charterraten sich weiter fortsetzt oder maßgeblich durch Nachholeffekte getrieben war.“ Weiter steigende Covid-19-Fallzahlen und damit einhergehende Einschränkungen in zahlreichen Ländern weltweit würden die Reedereien jedoch erneut vor Herausforderungen stellen, so Wortmann.

Die Reedereien hatten im ersten Halbjahr 2020 zahlreiche operative Herausforderungen zu bewältigen. So teilten rund 70 Reedereien mit, dass sie große Probleme mit dem Crewwechsel hatten. Ein Thema, das allerdings alle Reedereien weltweit trifft und das weiterhin nicht zufriedenstellend gelöst ist, und zwar weder für die Unternehmen, erst recht aber nicht für die betroffenen Seeleute. Viele von ihnen stammen aus Asien und haben etwa ihre Familien trotz Erfüllung ihrer Kontrakte an Bord der Schiffe seit Monaten nicht gesehen.

Einen durchaus wirkungsvollen Beitrag zur Bewältigung der unterschiedlichen Herausforderungen als Folge von Corona gehörte nach Aussagen der Befragten Digital-Technologien. 91 Prozent der Befragten gehen deshalb davon aus, dass die Corona-Pandemie den Digitalisierungs-Trend weiter vorantreiben dürfte.

Die Wachstumsperspektiven bis 2025 beurteilen die befragten Reeder der Studie zufolge als insgesamt verhalten. Mit einem Anstieg des weltweiten Ladungsaufkommens rechnen demzufolge 52 Prozent der Befragten. Vor einem Jahr waren das noch 67 Prozent.

Ungeachtet der Probleme durch die Corona-Krise behalten andere Themen die Priorität auf der strategischen Agenda der befragten Reedereien. Die größten Herausforderungen auf Sicht der kommenden zehn Jahre sind nach Ansicht der Reeder weiterhin Finanzierungsfragen. Das sehen 85 Prozent der Interviewpartner so. EHA

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